Auch hierfür gibt es einen evolutionspsychologischen Erklärungsansatz.
Einige Kognitionsforscher vergleichen Individuen, die unter Depressionen leiden, mit Investoren, denen es an Ressourcen mangelt und die daher eine risikoscheue Anlagestrategie verfolgen. Hier vergleichen die Forscher die persönliche Interaktion mit der Welt im Rahmen eines wirtschaftlichen Wettbewerbs. Diese Theorie könnte darauf hinweisen, dass die eigene Lebensweise innerhalb einer Spezies vom »Typ K« eine Annäherung an den darwinistischen Wettbewerb darstellt, was solche Metaphern besonders treffend erscheinen lässt. In diesem Fall verfügt der »Antikonkurrent« nicht über die geistigen und/oder materiellen Ressourcen, um zu konkurrieren, und wählt daher eine risikoscheue Strategie, um eine Niederlage zu vermeiden, indem er den Wettbewerb vermeidet – und in diesem Zusammenhang ebenso diffamiert.
Die sogenannte »Rangordnungstheorie« (»rank theory«) geht davon aus, dass Depressionen ein evolutives Mittel sind, mit dem Menschen mit niedrigerem Rang psychologisch gesteuert werden, um das Streben nach Dominanz mit überlegeneren Individuen – oder beispielsweise auch mächtigen Vorgesetzten – in ihrer sozialen Hierarchie zu vermeiden. Wenn es wahrscheinlich ist, dass man von solch einer Person übertroffen oder besiegt wird, wird die unterlegene Person dieser Theorie zufolge eine Strategie des verminderten Strebens verfolgen, indem sie eine depressive Psychologie annimmt.
Ein nicht wettbewerbsfähiges Individuum wird als darwinistische Überlebensstrategie eine Abneigung gegen Wettbewerb zeigen und kultivieren. – Mit allem, was dazu gehört, unter anderem die stetige Verengung des zulässigen, öffentlichen Meinungskorridors, die Vermeidung offener und ausgewogener Debatten, die den Namen als solchen verdienen und vieles mehr von dem, was K-Strategen dank stetig r-strategischerer Politik erleben beziehungsweise zu ertragen haben. Es grenzt demnach schier an Wahnsinn, dass aus einer »bloßen« darwinistischen Überlebensstrategie eine Erfolgsstrategie wurde, nachdem sich die nunmehr inkompetentesten und marktfeindlichsten Schreihälse die mitunter lukrativsten Pöstchen in Politik und Medien unter den Nagel gerissen haben. Wer jedoch glaubt, das könne ewig so weitergehen, unterliegt einem enormen Irrglauben.
Zurück zur Depression. Chronische Entzündungen werden mit einer depressiven Stimmung in Verbindung gebracht, ebenso wie ein vermindertes Funktionieren in sozialer Hinsicht – was beispielsweise erklären würde, warum politisch Linke zwar viel über »soziales Verhalten« reden und fordern, auf der persönlichen Ebene aber wesentlich weniger dazu bereit sind als Konservative. Auch eine schlechtere sozioökonomische Position wird mit einer depressiven Stimmung assoziiert. In allen drei Fällen weisen die Betroffenen eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit auf, entweder aufgrund einer verminderten körperlichen Vitalität, einer verminderten Fähigkeit, ein hohes soziales Ansehen zu erlangen, oder aufgrund eines verminderten Einkommenspotenzials. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Menschen unter solchen Bedingungen einen psychologischen Antrieb entwickelt haben, eine risikoscheue, wettbewerbsfeindliche Strategie zu verfolgen. Bei der Aussicht auf direkten und fairen Wettbewerb mit Gleichaltrigen, die diesbezüglich fähiger und erfolgreicher sind, wird sich der Wettbewerb nicht als vorteilhaft erweisen. Ein leicht depressiver Zustand könnte ein Mittel sein, um diese Psychologie des »Typs r« zu erzeugen und ein Individuum dazu zu bringen, eine darwinistische Strategie der Antikonkurrenz zu verfolgen.
Interessanterweise haben Neuroimaging-Studien bei Patienten mit Depressionen atypische Funktionen sowohl im präfrontalen Cortex als auch im Amygdala-Hippocampus-Komplex gezeigt, die nach dieser Theorie beide eine Rolle bei der Annahme einer wettbewerbsfeindlichen Psychologie des »Typs r« spielen würden, indem sie Furcht, Angst und ein Versagen beim Versuch hervorrufen, Umweltbedingungen positiv wahrzunehmen.
Obwohl Depressionen häufig als Ergebnis von Umweltwahrnehmungen oder Krankheitspathologien angesehen werden, ist erwiesen, dass eine genetische Veranlagung eine wichtige Rolle bei ihrer Entstehung spielt. Eine der Genmutationen, die mit einer erhöhten Depressionsneigung in Verbindung gebracht wird, ist, wie in früheren Kolumnen bereits beschrieben, eine allelische Variation des Dopaminrezeptor-Gens DRD4, das auch mit einer linken politischen Ideologie sowie mit sexueller Promiskuität und Untreue in Verbindung gebracht wird.
Zusammengenommen stünden diese Belege im Einklang mit der Theorie des politischen Linkstums als einer sich konstant entwickelt habenden und immer weiter entwickelnden, wettbewerbsfeindlichen darwinistischen Psychologie, die durch depressive Stimmungen vermittelt wird und darauf abzielt, eine Abneigung gegen das mit der Prüfung der Wettbewerbsfähigkeit verbundene Risiko zu erzeugen. Die Tatsache, dass Studien über die Genetik der Politik und Neuroimaging-Untersuchungen der Gehirnstrukturen von Linken und Konservativen ebenfalls mit dieser Theorie übereinstimmen, würde ihr weitere Glaubwürdigkeit verleihen. Zumindest wären es mittlerweile ziemlich viele Zufälle.
Wenn diese Theorie einer depressiven Stimmung als vermittelnder Faktor bei der Wettbewerbsfeindlichkeit akzeptiert wird, liegt es nahe, dass es eine komplementäre Psychologie gibt, die zu optimistischem Streben neigt, ohne mögliche Risiken oder Misserfolge zu betonen. Dies würde eindeutig mit den Bestrebungen vieler Konservativer korrelieren, sich im freien und fairen Wettbewerb zu engagieren, ohne sich um das Wettbewerbsrisiko oder die Folgen eines Misserfolgs zu kümmern.
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Ein Kommentar zu „Depressive Wettbewerbsfeinde (Teil 2)“