Genetik als Faktor für die politische Zugehörigkeit (Teil 1)

Herzlich willkommen im politischen Minenfeld.

In »Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet« befassen sich zwei Kapitel mit der Amygdala und dem präfrontalen Cortex (PFC), in denen Studien und Forschungsergebnisse sowie – daran anknüpfend – mögliche Implikationen vorgestellt werden, welche unsere Genetik mit unserer politischen Zugehörigkeit in Verbindung bringen. Gewiss, es handelt sich um ein heißes Pflaster, deren potenzieller Erkenntnisgewinn in »bestimmten Kreisen« von vornherein keine Chance eingeräumt wird (und werden wird) – passenderweise mitunter genau aus den Gründen, die sich theoretisch von den besagten Studien ableiten lassen können. Da eine Auflistung der Wissenschaftler und Studien hier den Rahmen sprengen würde, verweise ich auf die Bibliographie im oben genannten Buch.

Außer Frage steht, dass eigentlich schon länger Forschungsergebnisse existieren, die darauf hindeuten, dass eine umweltbedingte Konditionierung in Richtung des heutigen »Linkstums« durch den Besitz eines bestimmten Allels des Gens für den D4-Dopaminrezeptor (DRD4) erleichtert werden kann. Dieser Dopaminrezeptor steuert die Dopaminaktivität im Gehirn. Für das Ausschütten von Dopamin ist wiederum die Amygdala zuständig. Beim Dopamin handelt es sich um einen überwiegend erregend wirkenden Neurotransmitter des zentralen Nervensystems, das im Volksmund gemeinhin auch als »Glückshormon« gilt, obwohl die psychotrope, also die Psyche beeinflussende Bedeutung des Dopamins überwiegend im Bereich der Antriebssteigerung und Motivation vermutet wird; und Allele sind die »unterschiedlichen Varianten eines Gens an einer bestimmten Stelle (Genort oder -locus) auf einem Chromosom.«

Eine ordnungsgemäße Dopaminfunktion ist entscheidend für das reibungslose Funktionieren des präfrontalen Cortex, einer Struktur, die sowohl für die Wahrnehmung der Umwelt als auch für die Organisation des Verhaltens bei der Verfolgung von Zielen verantwortlich ist. Interessant ist, dass der PFC auch in der Lage ist, die Aktivierung der Amygdala zu unterdrücken, wahrscheinlich als Reaktion auf die Wahrnehmung positiver Umstände, die den PFC aktivieren und signalisieren, dass das Erreichen von Zielen wahrscheinlich ist. In solch einem Modell, auch wenn es etwas verwirrend klingen mag, würden Stimuli (Reize), die auf einen Misserfolg hindeuten, den PFC wiederum nicht mit positiven Reizen stimulieren. – Ein Beispiel könnte unter anderem so aussehen: Stellen Sie sich vor, Sie stünden auf einer Mauer und überlegten, herabzuspringen oder nicht. Es ist wahrscheinlich, dass Ihnen Ihre (funktionstüchtige) Amygdala sagt, es besser bleiben lassen, Ihr PFC hingegen »lockt« mit Dopamin-Ausschüttung für den Fall, alles unbeschadet zu überstehen. (Als Extrembeispiel ließe sich so vielleicht auch die Glücksspielsucht erklären.)

Infolgedessen würde es dem PFC also nicht gelingen, die Amygdala zu unterdrücken, die dann wiederum aktiviert würde und Angst und aversive Reize auslöst, die einen davon abhalten, weiterzumachen. Mutationen des D4-Rezeptors werden auch mit Angst, Depression und Neurotizismus sowie mit Störungen der Libido in Verbindung gebracht. Linke leiden nachweislich häufiger unter erhöhten Depressionen und weisen zudem eine gesteigerte Libido auf, was gemäß der r/K-Selektionstheorie vollkommen Sinn ergibt.

In Verbindung mit der Korrelation zwischen einer gestörten Dopaminaktivität und Depressionen, der Rolle von Dopamin bei der Anreizsalienz (also dem Wunsch, einer Belohnung nachzugehen), der Notwendigkeit seines Signals in angemessener Höhe für die ordnungsgemäße Funktion des PFC sowie der Rolle des PFC bei der Unterdrückung der Amygdala wird deutlich, dass das DRD4-Gen, welches mit der linken Ideologie in Verbindung gebracht wird, die Entwicklung des Gehirns beeinflussen könnte, indem es den Wettbewerbstrieb verändert und darüber hinaus eine eher r-artige Paarungsstrategie hervorbringt. Es handelt sich um ein einziges Gen, das die Wahrnehmung von Optimismus und Pessimismus, das Verlangen nach einer Belohnung, das Erleben von Angst sowie den Sexualtrieb verändern kann. Allesamt Dinge, die im weiteren Sinne im Zusammenhang mit der r- und K-Selektion stehen.

Es wäre zudem nur logisch, dass die Variation innerhalb eines einzigen Gens als ein einfaches »Mittel« dienen könnte, um im Genom eine Veranlagung für eine von zwei darwinistischen Strategien (r oder K) zu »kodieren«. Die eine Strategie – flapsig formuliert – vermeidet in pessimistischer Manier die Angst vor einem Wettbewerb, den sie zu verlieren glaubt (und diffamiert diesen stattdessen, siehe »Ellenbogenkapitalismus«, »Raubtierkapitalismus« et cetera); stattdessen sorgt sie dafür, sich verzweifelt mit jedem verfügbaren Partner zu paaren. Die andere Strategie hingegen geht optimistisch mit der Angst vor einem Wettbewerb um, den sie zu gewinnen glaubt, während sie geduldig darauf wartet, den geeignetsten und „fähigsten“ Partner zu finden. Der eine sieht deprimiert die Niederlage kommen, während der andere optimistisch den Sieg in greifbarer Nähe zu erkennen glaubt. Der eine wird verzweifelt seinen Sexualtrieb steigern, um nicht auch noch vor der Paarung zu sterben (»You only live once!«), während der andere geduldig warten wird, um den bestmöglichen Partner zu finden, mit dem er Nachwuchs haben kann.

Ist es nicht spannend, dass dieses »politische Gen« nachweislich mit dem Sexualtrieb beim Menschen in Verbindung steht, so wie Fragen der sexuellen »Sozialpolitik« mit Fragen der politischen Ideologie verknüpft zu sein scheinen, und so wie das Sexualverhalten mit dem Trieb verbunden zu sein scheint, den natürlichen Wettbewerb innerhalb einer Art anzunehmen oder abzulehnen, und zwar durch die Annahme einer r- oder K-selektierten Psychologie. Ein Forscher hatte sogar erörtert, inwiefern ein Allel dieses Dopaminrezeptorgens beim Menschen eine Paarungsstrategie vom »Typ r« hervorrufen würde, die zu Promiskuität und Untreue führt. Ein Blick in unsere Gesellschaft und insbesondere in Schulen (siehe unter anderem hier) sind für mich starke empirische Belege für die vorgestellte – und in Deutschland bis dato überwiegend ignorierte – Theorie.

In der Studie, die das DRD4 7r-Allel mit dem heutigen »Linkstum« in Verbindung bringt, wurde ferner gezeigt, dass Personen mit einer hohen Anzahl des DRD4 7r-Allels nach eigenen Angaben in ihrer Jugend mehr Freunde hatten und zu einer linken politischen Ideologie neigen. Andere Träger des DRD4 7r-Allels, die nach eigenen Angaben weniger Freunde haben, neigen nicht zu einer linken Ideologie. Einer der Forscher behauptet, dass diese erhöhte Anzahl von Freundschaften während der Jugendzeit wahrscheinlich ein Umweltfaktor ist, der in Verbindung mit dem 7r-Allel die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man als Erwachsener einer linken politischen Ideologie anhängt.

Fortsetzung hier.


Dieser Artikel erschien zunächst auf Freiheitsfunken.info.
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