Von Leselampen und Strohmännern

Dank eines aufmerksamen Lesers wurde ich kürzlich auf eine Kritik hinsichtlich meines Buches »Widerstand. Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet« aufmerksam gemacht.

Grundsätzlich störe ich mich an Kritiken nicht, solange es sich dabei um eine fundierte Gegenrede mit entsprechend logischen Belegen handelt. Einigermaßen ärgerlich wird es, wenn ich stattdessen letztlich nur eine Ansammlung von emotional wirkenden Diskreditierungen vorgesetzt bekomme, doch kein einziges stichhaltiges Argument. Ich stelle fest, dass nicht nur in meinem Falle, sondern grundsätzlich immer wieder mit denselben und nach meinem Dafürhalten unlauteren Mitteln gearbeitet wird, um einem unliebsamen Werk und dessen Verfasser möglichst großen Schaden zuzuführen.

Eine Person schreibt auf Herrn Danischs Blog:

»Als Biologe muss ich Ihre Theorien und Aussagen über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern (Amygdala, Evolution und Selektion) leider als nicht korrekt oder sogar falsch (Sie schreiben Vagina und meinen Vulva) bewerten.

Das Ihnen kürzlich empfohlene Buch des Deutsch- und Geschichtslehrers Mende (Widerstand – Warum zwischen linker und rechter Politik eine Schlacht der Gene wütet) ist z.T. hanebüchen:

Dass es in der Natur unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien – hier mit „r“ und „K“ bezeichnet – gibt, steht außer Frage. Dass das auch innerhalb der Menschheit, und zwar genetisch bedingt, der Fall sei, ist schon eine gewagtere These, zumal der Verfasser selbst eingesteht, unsere Spezies sei im Wesentlichen K-strategisch ausgerichtet (Kapitel 2.3). Vollends abenteuerlich wird es, wenn Mende sogar politische Einstellungen darauf zurückzuführen versucht.

Seine einleitenden Behauptungen vermag der Autor denn auch nicht stringent durchzuhalten. Redet er anfangs noch dem genetischen Determinismus das Wort und leugnet die Relevanz des sozialen Umfelds sowie persönlicher Erfahrungen, so wird im Laufe des Textes immer weiter Abstand davon genommen und dies dadurch zu verschleiern versucht, diesen Faktoren das Etikett „epigenetisch“ umzuhängen. Werden politische Diskussionen anfangs noch der Sinnlosigkeit geziehen, so lässt es sich Mende später nicht nehmen, einige leidenschaftliche inhaltliche Plädoyers zu halten, insbesondere zum Thema Migration und Multikulturalismus, das ihm besonders am Herzen zu liegen scheint.

Der Eindruck, dass Argumente wenig ausrichten, drängt sich auch mir auf. Dass dies ausschließlich an genetischen Dispositionen liegen soll, halte ich für zweifelhaft.«

Zunächst fällt auf, dass es sich bei der Person offensichtlich um dieselbe Person handelt, die bereits auf Amazon – sich hinter dem Pseudonym »Leselampe« versteckend – ihren subjektiven Empfindungen anhand einer negativen Rezension Luft verschafft, nachdem es sich in mehreren Passagen um denselben Wortlaut handelt. Ich schließe daraus zunächst einmal, dass ein durchaus immenser Leidensdruck vorzuherrschen scheint, durch den man sich offenbar genötigt fühlt, der Copy-und-Paste-Kritik unbedingt Gehör zu verschaffen. Freilich ist das nur eine subjektive Interpretation meinerseits. Erinnerungen an (m)einen gewissen Amazon-Troll werden wach.

Nun, woran stört sich die Person im Folgenden? Eines vorweg: Gäbe es eine Auszeichnung wie den »Goldenen Strohmann« – wir hätten hier durchaus einen Kandidaten, der in die engere Auswahl kommt.

Die Person beginnt mit »Als Biologe muss ich (…)« und fährt kurz darauf mit »…des Deutsch- und Geschichtslehrers Mende« fort. Hier soll gleich zu Beginn mittels eines Argumentum ad verecundiam hervorgehoben werden, dass beim Thema Evolutionspsychologie eine vermeintliche Autorität (»Ich, der Biologe«) über einen vermeintlichen Laien (»Deutsch und Geschichtslehrer«) spricht. Es handelt sich um ein erstes (unlauteres) Scheinargument, das faktisch nichts zur Sache beiträgt, sondern nur dazu dienen soll, dem Autor von vornherein jedwede Expertise in der Sache abzusprechen.

Fürderhin schreibt die »Leselampe«:

»Dass es in der Natur unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien – hier mit „r“ und „K“ bezeichnet – gibt, steht außer Frage. Dass das auch innerhalb der Menschheit, und zwar genetisch bedingt, der Fall sei, ist schon eine gewagtere These, zumal der Verfasser selbst eingesteht, unsere Spezies sei im Wesentlichen K-strategisch ausgerichtet (Kapitel 2.3).«

Zunächst einmal werden Fortpflanzungsstrategien nicht »HIER mit „r“ und „K“ bezeichnet«, was anscheinend den Eindruck erwecken soll, ich hätte mir das für eine Argumentation aus dem Ärmel geschüttelt – sondern mitunter von den renommiertesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Soziobiologie bzw. Evolutionspsychologie (Wilson, Pianka, van den Berghe, Fog, um nur einige zu nennen). Ferner ist unklar, worin genau »Leselampe« hier einen Widerspruch oder eine Inkonsistenz erkennen mag. Dass unsere Spezies im Wesentlichen K-strategisch ausgerichtet ist, schließt nicht aus, dass deren Errungenschaften durch ein Übermaß an r-Strategen gefährdet werden könnten. Es handelt sich also (erneut) um kein Argument, sondern eher eine Gefühlsäußerung; und ja, freilich handelt es sich um eine »gewagte These«, das haben relativ neue Thesen manchmal so an sich. Etwas schlichtweg als »gewagte These« zu bezeichnen, entkräftet nichts – ähnlich wie im politischen Diskurs irgendjemanden als »rechts«, »Querdenker«, »Klimaleugner« etc. zu bezeichnen.

»Vollends abenteuerlich wird es, wenn Mende sogar politische Einstellungen darauf zurückzuführen versucht.«

»Abenteuerlich« ist kein Argument. Für die Thesen, dass unsere politischen Einstellungen mitunter eine genetische Komponente haben, führe ich insgesamt mehrere hundert Quellen, Studienergebnisse und Querverweise an, wohlwissend, dass es bei solch einer »heiklen« Thematik nicht anders geht. »Abenteuerlich« ist es da für mich schon eher, eben diese im Zuge einer Kritik der These vollends geflissentlich zu ignorieren, als gäbe es sie nicht – so als würde ich hier quasi im luftleeren Raum bloße Behauptungen aufstellen. – Wie gesagt: Abenteuerlich. Aber auch nicht überraschend. Ich hatte schon vor einigen Jahren, während des Aufbereitens, Übersetzens und Zusammenfassens der Studien, Paper, Expertenstimmen und letztlich deren Implikationen, damit gerechnet. Von daher heißt es im Kapitel 2.1.1 unter anderem:

»(…) Unabhängig davon, wie jemand die impliziten und expliziten Schlussfolgerungen dieses Buches bewerten mag, so kann nicht geleugnet werden, dass sich jeder, der sie ablehnt, der Tatsache stellen muss, dass sich die r/K-Selektionstheorie um fünf wesentliche Verhaltensweisen dreht, während die beiden vorherrschenden, politischen Ideologien und Weltanschauungen ,zufällig‘ um exakt dieselben fünf Angelegenheiten kreisen. Diese fünf Bereiche – Einstellung gegenüber (freiem) Wettbewerb beziehungsweise die damit verbundene Aggression oder Verteidigung, Promiskuität versus Monogamie, Kindererziehung mit hohem oder niedrigem »Investitionsaufkommen« (Aufwand), die Sexualisierung des Nachwuchses sowie die Bindung (Loyalität) gegenüber der eigenen Gruppe – bilden das geistige Fundament beider. Egal, welche Argumente Gegner vorbringen werden, egal wie sie versuchen werden, diese Einsicht zu verwerfen, kaum einer wird sich, so meine Prognose, mit diesen simplen fünf Merkmalen oder ihrer Präsenz, sowohl in Ideologien als auch in Fortpflanzungsstrategien, auseinandersetzen (…)«

Die »Leselampe« behauptet als Nächstes:

»Seine einleitenden Behauptungen vermag der Autor denn auch nicht stringent durchzuhalten.«

Wenn man im Anschluss Dinge zu erkennen glaubt, die an keiner Stelle im Buch behauptet werden, mag man sich durchaus zu solch einer Aussage hinreißen lassen.

»Redet er anfangs noch dem genetischen Determinismus das Wort«

(Absichtliche?) Falschinterpretation. In Wahrheit wird sogar im Kapitel »Kritik an der Evolutionspsychologie« auf exakt eben diesen Vorwurf eingegangen und erklärt, warum bzw. dass dem nicht so ist. Ferner ein Zitat aus der Einleitung: »Die übergeordnete These besteht darin, dass es ein im politischen Sinne ,linkes‘ und ,rechtes‘ Gehirn gibt, das jeweils mit biologischen Prozessen und evolutionär gewachsenen Entwicklungskapazitäten übereinstimmt.«

Mit »genetischem Determinismus« hat das nichts zu tun. Tatsächlich fällt die Bezeichnung »genetischer Determinismus« nicht ein einziges Mal im gesamten Buch. Und dort, wo es um Formen des Determinismus geht, werden diese entweder kritisiert (!) oder, wie oben bereits gesagt, im Zuge exakt eben jenes Vorwurfs entkräftet.

 »und leugnet die Relevanz des sozialen Umfelds sowie persönlicher Erfahrungen«

An keiner Stelle wird dies geleugnet. Um nur ein einziges Zitat exemplarisch herauszugreifen: »Während Evolutionspsychologen den Einfluss von diversen Umweltbedingungen nicht negieren – so auch nicht in dieser Arbeit –, tun dies insbesondere r-strategische Linke in ihrer Rolle als subjektivistische Konstruktivisten in Bezug auf Genetik.«

Von daher geht auch die nächste vage Behauptung…

»so wird im Laufe des Textes immer weiter Abstand davon genommen und dies dadurch zu verschleiern versucht, diesen Faktoren das Etikett „epigenetisch“ umzuhängen.«

…ins Leere. Ich hänge nirgends irgendwem oder irgendwas mal eben ein »Etikett« um, sondern versuchte auch hier, ausführlich und auf Basis der meines Wissens nach aktuellen Forschung darzulegen, welchen legitimen Einfluss die Epigenetik auf das Sozialverhalten haben kann. Tatsächlich handelt es sich hier um ein überaus spannendes Feld, wobei der Umstand, dass epigenetische Veränderungen evident sind, durch Umweltfaktoren und den Lebensstil entstehen sowie auch vererbt werden können, als wissenschaftlich gesichert betrachtet werden kann.

»Werden politische Diskussionen anfangs noch der Sinnlosigkeit geziehen, so lässt es sich Mende später nicht nehmen, einige leidenschaftliche inhaltliche Plädoyers zu halten«

Erstens sind das zwei verschiedene Dinge. Ich würde zum Beispiel nicht in die Politik gehen, um dort dann »Diskussionen« mit Politiker X oder Y zu führen. Darüber hinaus scheint »Leselampe« nach der entsprechenden Stelle zur Sinnlosigkeit nicht weitergelesen zu haben. Vollständig heißt es nämlich:

»(…) Zum anderen werden Sie begreifen, warum politische Debatten letzten Endes Zeitverschwendung beziehungsweise sinnlos sind. Diese Erkenntnis wiederum kann zwar unglaublich befreiende Wirkung haben, bedeutet allerdings nicht automatisch, Widerstand grundsätzlich zu vermeiden. Jedenfalls nicht, sofern man nicht tatenlos mit ansehen möchte, wie sich Katastrophen unterschiedlicher Art erst anbahnen, einnisten und schließlich vollends entfalten.«

Sehen Sie es doch so: Aufgrund meiner (u.a. genetisch bedingten) Veranlagung konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mit der Waffe des Wortes »leidenschaftliche, inhaltliche Plädoyers zu halten.«

»Der Eindruck, dass Argumente wenig ausrichten, drängt sich auch mir auf. Dass dies ausschließlich an genetischen Dispositionen liegen soll, halte ich für zweifelhaft.«

Der zweite Satz ist erneut ein Strohmann, denn dies wird nicht behauptet.

Kommentar verfassen