Immer wieder ertönen Stimmen, wonach die gegenwärtigen (und von Libertären über Jahre hinweg vergeblich angekündigten) Krisen das Resultat eines »unregulierten, freien Marktes« seien – das exakte Gegenteil ist richtig – und von daher Regeln notwendig seien. Selbstverständlich braucht es Regeln. Ich kann (bis zu einem gewissen Zeitpunkt) sogar nachvollziehen, wenn man den (korporatismusbedingten, s.u.) Irrsinn in Wirtschaft und Gesellschaft »so« sieht und gehe auch des Öfteren mit der (»linken«) Analyse vieler unsäglicher Missstände weitestgehend d’accord, sehe die Ursache allerdings woanders.
Ich halte es, um es vorsichtig auszudrücken, für mehr als gewagt, das, was wir in den vergangenen Dekaden sowohl in der »BRD« als auch in den USA erleben, als »unregulierten, freien Markt« zu interpretieren. Es ist doch immer dasselbe: Staatlicher (!) Interventionismus erzeugt dank fehlender Expertise (oder – wie gegenwärtig – gewollt) ein Problem nach dem anderen (Ökonomie, Bildungswesen, Gesundheitswesen usw.), um sich hinterher als »Retter« aufzuspielen, aber die meisten Leute schieben trotzdem einem nicht-existenten oder zumindest exorbitant verstümmelten »freien Markt« den »schwarzen Peter« zu. Gleichzeitig schreien sie nach immer noch mehr und noch mehr Intervention – ich habe zum Interventionsmus kürzlich einen Clip gemacht. Siehe hier:
Wieder und immer wieder Interventionen. Und wieder und wieder und wieder. An dieser Stelle eine meiner Dauerfragen: Warum sollte der Staat an der Lösung irgendwelcher Probleme interessiert sein, wenn seine gesamte Existenz mit eben diesen Problemen begründet wird?
Selbst nach einem staatlich bedingten Totalkollaps, wobei Krieg nicht selten den finalen Schlusspunkt einer Staatsintervention markiert, glauben noch die meisten Menschen, es läge alles nur an den bösen »freien Märkten« mit ihren »gierigen Unternehmern«. Dass einen letztere in einer freien Marktwirtschaft zu nichts zwingen können, jeder kleine Bürokrat hingegen schon, verstehen die meisten Leute einfach nicht – oder wollen es nicht verstehen. Sie halten den Bürokraten tendenziell für unabdingbar (»Ordnung«), den Unternehmer hingegen als knechtenswert (»Ellenbogenkapitalist«). Dabei ist es prinzipiell völlig egal, ob ein Unternehmer »gierig« ist, sofern er die Bedürfnisse von Konsumenten, also uns allen, deckt. Das geht nur, wenn er zwangsläufig auf eben diese Bedürfnisse eingeht, da er andernfalls vom Markt verschwinden würde – sofern letzterer tatsächlich frei, also unreguliert, also vom Dauerstaatsinterventionismus verschont bliebe.
Dabei sollte nie vergessen werden: Der Markt besteht aus Menschen. Wenn Menschen etwas nicht können, kann es auch der Markt nicht. Menschen machen Fehler und Projekte scheitern. Der Markt wird ein solches Scheitern nicht unbegrenzt zulassen, aber es kommt vor. Märkte bieten nur sehr selten ein absolutes Maximum an Effizienz, es gibt immer einige Kosten, die hätten vermieden werden können, und oft gibt es bessere Optionen, von denen wir einfach nichts wussten.
Der Markt ist nicht perfekt, und wer das behauptet, hat einfach nicht verstanden, wie ein Markt funktioniert. Es wäre ein Strohmann zu behaupten, dass diejenigen, die freie Märkte unterstützen, behaupten, dass sie perfekt sind. Lawrence W. Reed schrieb in dem Zusammenhang einst:
»Es erstaunt mich immer wieder, dass von den Verteidigern des freien Marktes immer Gewissheit und Perfektion erwartet wird, während die Regierung nur Versprechungen machen und gute Absichten bekunden muss. Ich habe zum Beispiel oft gehört, dass man sagt: ,Ein freier Markt im Bildungswesen ist eine schlechte Idee, weil irgendwo ein Kind durch die Maschen fallen könnte‘, obwohl in den heutigen staatlichen Schulen jeden Tag Millionen von Kindern durch die Maschen fallen.«

Ein freier Markt ist und bleibt einfach die beste verfügbare Option, nicht mehr und nicht weniger. Nichts kann die Informationsmenge, die Verarbeitungsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit eines Marktes übertreffen.
Hier eine kurze Einführung darüber, wie Korporatismus, also das gegenwärtige Wirtschaftssystem der »BRD«, funktioniert:
Schritt 1: Ein Großunternehmen verliert den Wettbewerb um Kunden zunehmend und nutzt deshalb seinen Einfluss auf die Politik, um seinen Wirtschaftsbereich »regulieren« zu lassen.
Schritt 2: Der Staat erlässt umfangreiche Vorschriften, für die sich das Großunternehmen eingesetzt hat, die es mitgestaltet hat und deren Kosten es sich leisten kann, viele seiner Konkurrenten jedoch nicht.
Schritt 3: Mit weniger verbliebenen Konkurrenten kann sich das Großunternehmen höhere Preise und niedrigere Löhne erlauben sowie Konkurrenten aufkaufen. Es wird zum berühmt-berüchtigten »marktbeherrschenden« Megakonzern.
Schritt 4: Nun stören sich immer mehr Menschen an der Größe und dem Einfluss des Megakonzerns. In der Bevölkerung wird der Ruf nach staatlicher »Regulierung« immer lauter. Es wiederholen sich Schritt 2 und 3.
Fakt ist jedoch, dass wir für ein natürliches Gemeinwesen einen freien Markt benötigen, nicht jedoch eine Zwangsregierung mit Gewaltmonopol. Alternativen sind u.a. bei Hans-Hermann Hoppe (»Der Wettbewerb der Gauner«), David D. Friedman (»Das Räderwerk der Freiheit«), Stefan Molyneux (»Anarchie in der Praxis«) oder Oliver Janich (»Sicher ohne Staat«) nachzulesen. Auch Norbert Lennartz‘ »Praxeologie für Ordnung und Sezession: Ergänzung zu Human Action« sei hier für fortgeschrittene, praxeologisch bewanderte Leser empfohlen. Gibt es keine Zwangsregierung, kann »die Wirtschaft« sich nicht verkungeln. Die Alternative zu einem freien Markt ist logischerweise immer ein unfreier bzw. geknebelter, d.h. auf Zwang und Gewalt(androhung) basierender Markt, was nichts anderes bedeutet als unfreie und geknebelte Menschen, denn der Markt, das sind wir alle (nicht der Staat!). Es gibt ja dieses berühmte Zitat von Roland Baader, welches die Misere bereits 2005 in »Das Kapital am Pranger – Ein Kompass durch den politischen Begriffsnebel« beschrieb:
»Betrachten wir Deutschland doch einmal mit „kapitalistischen Augen“. Wir erkennen ein Land mit einem staatlichen (d. h. sozialistischen) Rentensystem, einem staatlichen Gesundheitswesen, einem staatlichen Bildungswesen, mit staatlich und gewerkschaftlich gefesselten Arbeitsmärkten, einem konfiskatorischen Steuersystem, einer Staatsquote von über 50%, mit einem erheblich regulierten Wohnungsmarkt, einem massiv subventionierten und regulierten Agrarsektor und einer in einem komplizierten Geflecht zwischen Markt und Staat eingebundenen Energiewirtschaft, mit mindestens Hunderttausend Betrieben in „kommunalem Eigentum“ (d.h. Staatseigentum) und einem staatlichen Papiergeldmonopol, ja sogar mit einem Staatsfernsehen samt Zwangsgebühren. Wir erkennen ein Land, in dem fast 40% der Bevölkerung ganz oder überwiegend von Staatsleistungen lebt und in welchem das gesamte Leben der Bürger von staatlichen Regelungen überwuchert ist. Wer diesen 80%-Sozialismus als Kapitalismus bezeichnet, muss mit ideologischer Blindheit geschlagen sein. Und wer gar von Turbo- oder Raubtierkapitalismus redet, den muss der Verstand ganz verlassen haben (oder die panische Angst vor dem Machtverlust zu verbalen Veitstänzen getrieben haben).«
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