Buchrezension: William Golding – Herr der Fliegen: Zu viel Text, zu wenig Handlung

Endlich hatte ich mir die Zeit genommen, einen bisher verpassten, jedoch weltberühmten Klassiker zu lesen: „Lord of the Flies“ alias „Herr der Fliegen“ von William Golding (1911-1993). Aufgrund der vielfach gehörten Kritik an der deutschen Übersetzung las ich sicherheitshalber sowohl die deutsche als auch die englische Version.

Leider war ich nach Abschluss der Lektüre ziemlich enttäuscht. In erster Linie lag es daran, dass, gemessen an dem Umfang des Romans, zu wenig geschieht. Oder anders: Das Buch ist meines Erachtens viel zu lang geraten. Die Gespräche und Diskussionen zwischen den Jungs (warum haben eigentlich ausschließlich Buben den Flugzeugabsturz überlebt?) wiederholen sich nicht nur geradezu pausenlos, sondern bestehen nicht selten lediglich aus irgendwelchen Wortfetzen, Andeutungen und Halbsätzen. Dabei tat ich mich bisweilen etwas schwer, immer nachzuvollziehen, wer denn nun eigentlich gerade etwas sagt bzw. einwirft. Klar, könnte man einwenden, es handelt sich ja um Sechs- bis Zwölfjährige, da muss die Grammatik nicht geschliffen scharf sein. Keine Frage! Allerdings denke ich, dass auch Jungs in diesem Alter zu mehr als besagten Wortfetzen in der Lage sind (erst recht in den 1950er Jahren). Ich kann auch nicht sagen, dass das englische Original in sprachlicher Hinsicht großartig ästhetischer oder eleganter wäre. Vielleicht ein bisschen.

Zweifelsfrei hat die Geschichte einige starke und spannende Passagen, die ab und an hoffnungsvoll stimmten, aber insgesamt war es mir zu wenig. Über etliche Seiten diskutieren, quatschen, labern, kichern und plappern die Jungs über dieselben Themen (Feuer, Muschel, Wildschweine) und ich dachte mir immer wieder: „Mensch Jungs, macht doch endlich mal irgendwas!“ Soll heißen, die Handlung geht nur sehr schleppend bzw. zähflüssig voran, einen richtigen Höhepunkt konnte ich nicht erkennen. Aufgrund der schier endlosen Diskussionen, die sich immer wieder im Kreis drehen, leidet meines Erachtens zudem die Charakterentwicklung, welche ich weitestgehend als überzeichnet und unrealistisch empfand – vor allem aber eben einfach als langweilig. Ich wollte mitfiebern und mitleiden, aber tatsächlich ließen mich die Geschehnisse (größtenteils) kalt.

Es mag sein, dass Goldings Buch von interessanter Symbolik und diskussionswürdigen Allegorien nur so wimmelt (und in der Tat erschlossen sich mir einige davon nach und nach), allerdings reizt mich eine eingehendere Analyse damit auch nur dann so richtig, sofern die eigentliche Story an sich kurzweilig und spannend ist. Wenn jedoch das Hauptgericht zu zäh ist, können auch die Beilagen kaum noch etwas retten.

(2/5)

(Diese Rezension erschien zunächst hier.)

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