Insgesamt eine empfehlenswerte, kurzweilige und demaskierende Lektüre, die mich in weiten Teilen an meine eigene Vergangenheit als „Linker“ erinnerte und in diesem Zusammenhang an die vielen unterschiedlichen Denkfehler, welche v.a. durch das Nicht-wahrhaben-wollen der Realität zustande kommen. Die Realität zeigt ferner, dass sich viele „Linke“ umso fanatischer in ihren Glaubenssätzen dogmatisieren, je offensichtlicher sich die mannigfaltigen Lebenslügen (Ökonomie, Ethik, Argumentationsarmut, Islam etc.) eingestanden werden müssten:
„Der Linke ist deshalb permanent damit beschäftigt, Gründe dafür zu finden, warum die Wirklichkeit ihm ständig Überraschungen auftischt. Warum er in Wirklichkeit ständig auf Phänomene stößt, die es gar nicht geben könnte, wenn das, was er glaubt, wahr wäre. Da er die Realität nicht ignorieren kann, eine Beschädigung der eigenen Dogmen aber um jeden Preis vermeiden muß, muß er sie wohl oder übel interpretieren, und zwar so, daß die eigene Ideologie bestätigt wird.“ (S.26)
Dass ein Absprung bzw. eine Abkehr ersatzreligiöser linker Dogmen möglich ist, beweisen, wenn auch nicht allzu zahlreich, glücklicherweise ebenso mehr und mehr Zeitgenossen, was meist auch mit fortschreitendem Alter korreliert:
„In gewisser Hinsicht macht Linkssein klug (…): Wenn man jahrzehntelang hochkomplizierte Theorien entwickeln muß, deren einziger Zweck darin besteht, völlig wirklichkeitsbefreite Thesen zu untermauern und offensichtliche Tatsachen in Abrede zu stellen: das ist wahres Gehirnjogging! Irgendwann (…) ist man dann so klug, daß man aufhören muß, links zu sein. Man nennt so etwas auch einen dialektischen Prozeß. Leider kommen nur die wenigsten Linken bis zu diesem Punkt.“ (Ebd.)
So weit, so erfreulich und korrekt.
Einen Stern Abzug erhält das Büchlein aus zwei Gründen: Einerseits macht auch Kleine-Hartlage den inhaltlichen Fehler, Anarchie quasi mit Barbarei gleichzusetzen (S.27), nachdem sie, also Anarchie, wie allgemeinhin üblich im öffentlich Diskurs, mit Anomie (!) verwechselt wird. Anarchie bedeutet weder Chaos noch die Abwesenheit von Regeln, sondern die Abwesenheit von Zwangsherrschaft.
Zudem ist es meiner Meinung nach weniger zielführend, die „Befreiung“ (S.89) von linken, de facto widerlegten Thesen und „Argumenten“ mit dem Konvertieren zur „Rechten“ zu ersetzen, da beiden (!) Flügeln letztlich politische und damit stets kollektivistische Glaubenssätze innewohnen, die früher oder später immer zu Not, Elend und Leid führen. (Was nicht bedeuten soll, dass es zwischen linker und rechter Politik keinerlei graduelle Unterschiede gibt.)
Oder wie es Roland Baader so trefflich formulierte:
„Man kann es den deutschen (und europäischen) Jugendlichen und jungen Leuten nicht klar und oft genug sagen: Das Gegenteil von (politisch) ‚links‘ ist nicht ‚rechts‘ – und das Gegenteil von rechts ist nicht links. Der braune Sozialismus ist nur eine Variante des roten Sozialismus. Das Gegenteil von ‚links‘ (und von ‚rechts‘) ist: ‚freiheitlich‘ (…)“
(4/5)
(Diese Rezension erschien zunächst hier.)