»Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer!«

von Roland Baader

Wirtschaftliche Macht hin oder her; fest steht, dass im Kapitalismus offensichtlich das Gesetz gilt: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.

Baader: In dieser Behauptung steckt mindestens ein Dutzend Irrtümer oder Lügen zugleich. Hier sollen wenigstens die gängigsten vier oder fünf kurz gestreift werden.
Zunächst impliziert die Parole von den Reichen, die immer reicher und den Armen, die immer ärmer werden, dass der Kapitalismus ganz generell Armut und arme Leute produzieren würde. Dazu vorweg: Es gibt auf dem ganzen Globus kein einziges auch nur halbwegs kapitalistisches Land, in welchem die Mehrheit der Bevölkerung nicht wohlhabend ist; und es gibt weltweit kein einziges signifikant nichtkapitalistisches Land, in welchem die Mehrheit der Bevölkerung nicht in Armut lebt. Die Heritage Foundation hat 1997 eine Studie mit dem Titel ‚1997 Index of Economic Freedom‘ vorgelegt, eine umfangreiche und höchst sorgfältig erarbeitete wissenschaftliche Arbeit. Untersucht wurden 150 Länder der Erde, und zwar nach Maßgabe sämtlicher objektiv messbaren Kriterien für Reichtum, Armut, Freiheit und Unfreiheit. Das eindeutige Ergebnis:

Je mehr wirtschaftliche Freiheit (oder Marktwirtschaft oder Kapitalismus) in einem Land, desto reicher ist es, gemessen am Inlandsprodukt je Kopf der Bevölkerung. Es gibt keine Nation, die ökonomisch frei und dennoch arm wäre – und keine, die unterdrückt und trotzdem reich wäre.

Doch gehen wir das Thema zunächst einmal historisch an. Mit zunehmender Verbreitung der sogenannten Industriellen Revolution im 19. und frühen 20. Jahrhundert hat sich nicht nur die Güterversorgung der breiten Bevölkerungsmassen dramatisch verbessert – auf ein Niveau zivilisatorischer und hygienischer Lebensumstände und Annehmlichkeiten, das sich sogar die Wohlhabenden früherer Zeiten nicht hätten träumen lassen –, sondern auch der gesellschaftliche Status des sogenannten gemeinen Volkes. Wie Ludwig von Mises es eindrucksvoll beschrieben hat, ging die ökonomisch-gesellschaftliche Dominanz von den Landeigentümern auf die Gesamtheit der Bevölkerung über. Der gemeine Mann war nun kein Bettler mehr, der von den Brosamen leben musste, die vom Tisch der Reichen fielen. Die drei Paria-Kasten, die für die vorkapitalistische Zeit charakteristisch waren – die Sklaven, die Diener und die Armen, verschwanden. Ihre Nachkommen wurden in diesem neuen ökonomischen Umfeld nicht nur freie Arbeiter, sondern auch Kunden, welche als Abnehmer der Massenproduktion viel bedeutsamer wurden als die verbliebenen „Standes-Reichen“ mit ihrem vom Volumen her unbedeutend gewordenen Luxuskonsum.

Auch machte es der Kapitalismus für jedermann möglich, die Standesgrenzen zu überschreiten und einzureißen. Reichtum war nicht mehr an den gesellschaftlichen Stand als Adliger oder Landbesitzer gebunden, sondern an Leistung im Dienste der Massenversorgung auf immer größer werdenden Märkten. Für jedermann war nun auch die Möglichkeit eröffnet, zu sparen, Kapital anzusammeln und zu investieren. Der Graben, der in den vorkapitalistischen Zeiten zwischen den Eigentümern und den Besitzlosen geklafft hatte, wurde stetig schmaler. Immer mehr Arbeiter konnten zu Eigentümern von Aktien, Versicherungspolicen und Immobilien werden. Ja, noch mehr: Die Masse der Bevölkerung wurde zu den eigentlichen „Herren“ des Kapitals. Vorher konnte niemand außer den Eigentümern selbst darüber befinden, was mit den Schlössern und Latifundien zu geschehen hatte, jetzt aber bestimmten die Massen der Konsumenten über den Kapitaleinsatz. Nur wenn die Kapitaleigentümer in Produktionsanlagen investierten, mit welchen die Bedürfnisse der großen Bevölkerungsmehrheit befriedigt wurden, konnte sich das Kapital verzinsen und erhalten, alles andere Kapital erbrachte Verluste und ging verloren. Im Kapitalismus ist die ganze Bevölkerung der eigentliche Herr des Kapitals, der bestimmt, wo und wie es eingesetzt und in den Dienst aller gestellt wird – ganz egal, wem es physisch oder juristisch gehört.

Es ist bei dieser Gelegenheit wichtig, darauf hinzuweisen, dass jeder dirigistische und konfiskatorische Eingriff des Staates in die Sphäre des Kapitals nicht nur eine Teilenteignung der Kapitaleigentümer darstellt, sondern auch und vor allem eine Entmündigung und eine Enteignung der Entscheidungshoheit des Volkes über den Kapitalstock einer Nation – und auch eine Entreicherung der gesamten Bevölkerung.

Wie soll man sich das vorstellen, eine „Entreicherung der gesamten Bevölkerung“ durch den Eingriff in das Kapital eines Kapitalisten?

Baader: Nehmen wir zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel zu Hilfe: Ein Arbeiter, der nur mit geringem Kapital ausgestattet ist, beispielsweise mit einer Schaufel, braucht vielleicht acht Stunden anstrengender Arbeit, um einen Graben von zehn Meter Länge, einem halben Meter Breite und zwanzig Zentimeter Tiefe auszuheben. Nehmen wir an, dem Auftraggeber sei die Herstellung des Grabens hundert Mark wert. Der Arbeiter mit der Schaufel kann also für die achtstündige schwere Arbeit nicht mehr als hundert Euro Lohn erwarten. Nehmen wir nun an, ein Kapitalbesitzer, nämlich der Besitzer eines kleinen Baggers, würde dieses Gerät einem seiner Arbeiter zu einem Stundenmietpreis (Kapitalverzinsung und Amortisation) von 20 Euro zur Verfügung stellen. Der betreffende Arbeiter könnte nun in derselben Zeit (acht Stunden) fünf Gräben der besagten Größe ausheben, und das sogar mit weit geringerer Anstrengung. Das heißt, er könnte 5 mal 100 Euro = 500 Euro, minus 8 mal 20 Euro Kapitalentgelt = 160 Euro, per Saldo also 340 Euro Lohn für die acht Stunden Arbeit kassieren. Noch besser würde sich die Situation und die Verdienstaussicht des Mannes gestalten, wenn ihm ein Kapitaleigentümer noch mehr und noch besseres Kapital zur Verfügung stellen würde, zum Beispiel einen Großbagger.

Kurz: Die Produktivität der Arbeit – und damit auch die mögliche Lohnhöhe – hängt fast ausschließlich von der Menge und Güte des eingesetzten Kapitals ab. Zwar lässt sich die Arbeitsproduktivität auch durch größere Anstrengung und durch eine bessere Organisation der Arbeit ein wenig steigern, aber der bei weitem wichtigste Faktor ist der Kapitaleinsatz. Deshalb bestimmt die Menge und Qualität des in einem Unternehmen – und des in einer ganzen Volkswirtschaft eingesetzten Kapitals, wie wohlhabend ein Volk wird und wie hoch das Lohnniveau im betreffenden Betrieb und im betreffenden Land steigen kann. Das bedeutet aber zugleich: Jede politische – also gesetzliche, fiskalische, administrative oder bürokratische Behinderung, Beeinträchtigung, Besteuerung, Lenkung, Knebelung oder gar Verfolgung und Enteignung des Kapitals (oder der Kapitaleigentümer) schlägt mit voller Wucht negativ auf den Wohlstand und die Lebenschancen der ganzen Bevölkerung durch – vor allem der sogenannten Arbeitnehmer.

Wo das Kapital politisch, gesetzlich, gewerkschaftlich oder bürokratisch angefeindet, behindert, geschädigt, geschlagen oder verjagt wird, da wird in Wirklichkeit das Volk und die breite Schicht der Beschäftigten geschädigt und geprügelt. Im unbehinderten Kapitalismus kann es – außer in wenigen schicksalhaften Einzelfällen – niemals so etwas wie Armut der Bevölkerung geben. Ärmer werden – oder mühsamer wohlhabend werden – oder ganz verarmen können breite Schichten oder ganze Nationen seit dem Aufkommen des Kapitalismus nur dann und nur dort, wo die Politik und die Netze der Verbandsinteressen die Kräfte des Kapitalismus fesseln, knebeln und ersticken. Und mit dem Kapitalismus und dem Wohlstand erstickt zugleich auch die Freiheit. Deshalb gilt auch diesbezüglich die Mahnung von Ludwig Mises: „Freiheit findet sich nur in Bereichen, in welche die Regierung (der Staat) nicht eingreift. Freiheit ist immer Freiheit von der Regierung (vom Staat). Sie ist Beschränkung des staatlichen Eingriffs.“ [noch besser: Abschaffung des staatlichen Eingriffs]. Und damit versteht man auch besser, was der bedeutende Ökonom Henry Hazlitt gemeint hat, als er (sinngemäß) sagte, das wahre Problem der Armut sei kein Verteilungs-, sondern ein Produktionsproblem; die Armen seien nicht deshalb arm, weil man ihnen etwas vorenthalte, sondern weil sie zu wenig, zu schlecht oder das Falsche produzieren. Damit meinte er genau das: Die politische Behinderung und Fehllenkung oder Vertreibung und Abschreckung des Kapitals, womit es den Armen erschwert oder unmöglich gemacht wird, mehr zu verdienen.

Das alles lässt sich nicht nur theoretisch belegen, sondern auch historisch und mit handfesten Zahlen. In den USA war das Realeinkommen (also die inflationsbereinigte Kaufkraft des Einkommens) im Jahr 1990 um das 15fache höher als 1900, pro Kopf gerechnet um das Vierfache. Die Reallöhne der Arbeitnehmer waren 1990 mehr als achtmal so hoch wie 1900, obwohl die Arbeitszeit von 60 auf 39,3 Wochenstunden gesunken ist. 1900 haben die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung 4,8% des Nationaleinkommens bezogen, 1990 waren es 4,6% – also in etwa die gleiche Relation, aber bei einem real (!) 15fach höheren Nationaleinkommen. Also sind auch die Armen viel, viel reicher geworden. Nach der heutigen Armutsdefinition lebten 1900 in den USA 56% der Familien in Armut, 1967 – also noch vor dem Wuchern des Wohlfahrtsstaates – nur noch 13%. Pro Person wurde 1990 um folgende Prozentzahlen real (!) mehr ausgegeben als 1900: Für Lebensmittel 54%, für Kleidung 238% für Miete 641%, für Wasser 335%, für Elektrizität 26400%, für Gesundheit 1021%, für Transport und Verkehr 1034%. Der Prozentsatz an Wohnungen und Häusern mit fließendem Wasser stieg von 24 auf fast 100%. Der Anteil der Haushalte mit Auto stieg von 0 auf 98%, mit Kühlschrank von 0 auf 100%, mit Telefon von 5 auf 95%. Die Zahl der Toten je hunderttausend Personen fiel bei Tuberkulose von 194 auf 0,70; bei Typhus von 31 auf 0,05; bei Diphtherie von 40 auf 0,05; bei Keuchhusten von 12 auf 0,05; bei Masern von 13 auf 0,05; bei Grippe und Lungenentzündung von 202 auf 32 und bei Gastritis und Kolitis von 143 auf 1.

Hinzu kommt, dass in den USA (und nicht nur dort!) ein Haushalt heutzutage statistisch als arm gelten kann, der eine Waschmaschine hat, einen Wäschetrockner, einen Kühlschrank, einen Mikrowellenherd, einen Farbfernseher, einen Videorecorder [DVD-Player] und ein Auto. Wenn man eine realistische Armutsdefinition zugrunde legt, nämlich eine am realen Konsumniveau orientierte (statt der nominellen Einkommensgrenzen) – wie das der Ökonom Daniel Slesnick von der Universität Texas in einer Studie getan hat, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass 1956 noch 24% der US-Haushalte arm waren, 1989 aber nur noch 2% (wobei in dieser Studie staatliche Wohlfahrtsleistungen wie Medicaid, Sozialwohnungen und viele kommunale Leistungen sogar ausgeklammert wurden).

Aber fest steht doch, dass bei uns und in etlichen anderen Ländern eine bestimmte Gruppe von Reichen tatsächlich relativ zu allen anderen immer reicher wird.

Baader: Zunächst einmal impliziert die Tatsache, dass reiche Leute noch reicher werden, keinesfalls, dass arme Leute ärmer werden. In einer Marktwirtschaft werden die weniger begüterten Schichten um so mehr und um so zahlreicher mit nach oben gezogen, je mehr Leute wirklich reich werden. Ganz generell aber handelt es sich bei der Parole „Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer“ um ein raffiniertes Ablenkungsmanöver der Politiker und Funktionäre von den wahren Ursachen der Tatsache, dass eine gewisse relative Verarmung bestimmter Schichten in einem ganz spezifischen Sinn zu beobachten ist. Indem der Blick auf eine kleine Gruppe von Superreichen gelenkt wird, gerät außer Sicht, dass seit rund drei Jahrzehnten der Mittelstand, die weitaus breiteste Schichtung unseres Landes, ausgehungert und dezimiert wird. Heute gibt es kaum noch eine Familie, in der die Ehefrau nicht mitarbeiten müsste, um den relativen Lebensstandard halten zu können, der bis in die siebziger Jahre hinein noch mit einem Verdiener gesichert werden konnte. Was bei dieser sogenannten „neuen Armut“ von Bedeutung ist, das ist eben nicht die Tatsache, dass eine ganz kleine Gruppe von Reichen immer reicher wird, sondern dass die seit Jahrzehnten steigende Steuer- und Abgabenlast, sowie die unaufhörlich wachsenden Sozialabgaben und die (wenn auch moderate, so doch die Einkommen und Vermögen unablässig aushöhlende) Inflation den Mittelstand unserer Gesellschaft sukzessive ausradiert.

Mögen die Schweinefleisch- und Kartoffelpreise auch nur moderat gestiegen sein in den letzten Jahrzehnten, so sind doch die Preise derjenigen Güter und Dienste, deren Nutzung den Mittelstand ausmachen, geradezu explodiert. Das gilt insbesondere für die Kosten des eigenen Hauses oder wenigstens der eigenen Wohnung, sowie für die Kosten einer höheren Bildung und Ausbildung der Kinder, für Haushaltshilfen und personelle Dienste aller Art. Die wahren Reichen (im Sinne eines unangenehmen Beigeschmacks des Wortes) sind im modernen Sozial- und Umverteilungsstaat nicht die Unternehmer und Selbstständigen, die sich im Hamsterrad der Fiskal- und Sozialmühlen abstrampeln und im Dickicht des bürokratischen Vorschriften-Dschungels zu Tode ärgern, sondern jene – von solchen Lasten vielfach befreite – Schmarotzerschicht von Funktionären, die in Tausenden von Verbänden und politischen Umverteilungsorganisationen ein immer größeres Rad drehen und unsere Steuermilliarden über den ganzen Globus ausstreuen wie die Sonnenkönige, als handele es sich dabei nicht um hart erarbeitete Groschen, sondern um Dreck von der nächsten Schutthalde.

Also ist doch etwas dran an der These von der „neuen Armut“ und vom Auseinanderdriften zwischen reich und arm?

Baader: Nochmal aus einem anderen Blickwinkel: Was an der eigentlichen falschen Behauptung wahr ist – und einiges daran ist in einem ganz bestimmten Sinne wahr –, das ist nicht die Folge von Kapitalismus oder Marktwirtschaft, sondern die Folge der Trennung der Lebensbereiche in eine sozialistische und eine kapitalistische Wirtschaft. Etliche Reiche können es sich leisten, in einer überwiegend kapitalistischen Welt zu leben, in der die Märkte frei sind; oder sie können wenigstens ihr Einkommen dorthin verlagern, wo sie weniger oder gar nicht besteuert werden. Das sei ihnen gegönnt. Bedauerlich ist nur, dass die meisten anderen in einer mehr sozialistischen Welt leben müssen: Sie arbeiten auf regulierten halb- bis dreiviertelsozialistischen Arbeitsmärkten, wo sie weder darüber entscheiden dürfen, wann und wie lange sie arbeiten – noch zu welchem Preis und zu welchen sonstigen Bedingungen; sie leben in halbsozialistischen Wohnungen (Sozialwohnungen oder mietpreisregulierten Immobilien), müssen ihr Lebenseinkommen zur Hälfte oder mehr in sozialistische Sozialversicherungssysteme – inklusive sozialistisches Rentensystem – und in den Fiskalsozialismus stecken; sie müssen ihre Kinder auf sozialistische (öffentliche, staatliche) Schulen schicken, und sie sitzen den Verlockungen einer sozialistischen Politik (Sozialstaat) auf, die völlig falsche Anreize setzt und immer weiter in die Abhängigkeit und Unmündigkeit führt. Die Ineffizienz und Verschwendung, die Knebelung und Ausbeutung durch den halb- bis dreiviertelsozialistischen Sozialstaat und Maximalstaat sind es, welche der besagten Parole eine gewisse Berechtigung geben. Der spezifische Wahrheitskern, der darin steckt, ist nicht Schuld oder Folge des Kapitalismus, sondern der Tatsache, dass der Sozial-, Interventions- und Umverteilungsstaat die meisten Menschen zwingt, in einer halb- bis dreiviertelsozialistischen Ökonomie zu leben und zu arbeiten.

Das bedeutet aber nicht nur eine gewisse Schwächung der materiellen Situation der Bürger, sondern kann zur Gefährdung der Existenz für die gesamte Menschheit werden. Die moderne Zivilisation – also Fortschritt, Freiheit, Wohlstand, ja Leben und Überleben der neuzeitlichen Milliardenzahlen an Menschen – basiert auf der Arbeitsteilung. Ab einem bestimmten Sozialisierungsgrad, man kann auch sagen: ab einer bestimmten Staatsquote (Steuer- und Abgabenlast der Bürger, sowie Ausgabenvolumen des Staates), die nebenbei bemerkt in Deutschland mit rund 50% [Stand: 1999!] längst überschritten ist, driften die Netto-Arbeitsentgelte der Arbeitnehmer (wegen der Abzüge und Abgaben) und die Brutto-Arbeitskosten der Arbeitgeber (wegen derselben Abgaben) so weit auseinander, dass der Bürger in eine Lohnschere von gewaltigem Ausmaß gerät. Er muss dann für jede von ihm in Anspruch genommene fremde Arbeitsstunde – z.B. für die eines Handwerkers – ein Mehrfaches an eigenen Arbeitsstunden leisten. Bei einer Staatsquote von über 50% muss beispielsweise in Deutschland derzeit für jede in Anspruch genommene fremde Arbeitsstunde der Nettoverdienst von fünf eigenen (gleichwertigen!) Arbeitsstunden geopfert werden. In einigen Bereichen hat sich diese Schere sogar bis zu einem Verhältnis von ein zu sieben geöffnet.

Das bedeutet aber letztlich nicht mehr und nicht weniger als dass die Arbeitsteilung allmählich sinnlos wird. Ein Symptom dafür ist der Boom der Schwarzarbeit und der do-it-yourself-Heimwerkerei. Außerdem bleibt ein Riesenbedarf der Bürger an Dienstleistungen ungedeckt. Die Menschen ersticken auf diese Weise einerseits in einem Meer von technischen Apparaten (die der hochproduktive Kapitalismus erzeugt) und verarmen andererseits an dringend benötigten oder erwünschten Diensten (die der hochdestruktive Sozialismus verhindert). Das ist – soweit man überhaupt davon sprechen kann – die „neue Armut“. Und das ist zugleich der Weg in die Entzivilisierung, in Barbarei und Niedergang, und schließlich – wenn der Vorgang nicht gestoppt wird – sogar in Massenelend und Massentod. Aber das sind, wie gesagt, ganz andere Aspekte als diejenigen, die uns üblicherweise mit den Schlagworten von der „neuen Armut“ und dem „reicher und ärmer werdenden“ vorgegaukelt werden – und die allesamt falsch sind.

(Für Interessierte: Roland Baader: Die belogene Generation. Politisch manipuliert statt zukunftsfähig informiert)

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5 Kommentare zu „»Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer!«

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